Seit mehr als 35 Jahren lebe ich in Südoldenburg und fühle mich dort zuhause. Dennoch verfolge ich immer noch mit Interesse, was in der Großstadt Oldenburg passiert, in der ich geboren und aufgewachsen bin. Die Entwicklung von Oldenburg ist einerseits beeindruckend: Aus der 130.000 Einwohnerstadt (1970) ist eine Großstadt mit 175.000 Einwohnern entstanden. Im Herzen ist der Ur-Oldenburger aber immer noch recht provinziell geblieben. Die Oldenburger wollen zwar in einer Stadt leben, aber Verkehr und Leben mögen sie vor ihrer Haustür nicht.
Ein Beispiel ist, dass jetzt sogar der Vorschlag gemacht wurde, nicht nur in allen Nebenstraßen und Wohngebieten sondern auch in allen Hauptverkehrsstraßen der Stadt Tempo 30 einzuführen. Damit wäre das Stadtzentrum mit dem Auto kaum noch erreichbar. Das Tempo gilt nicht nur für Autos, sondern auch für den ÖPNV, der in Oldenburg durch die Busse der VWG gewährleistet wird.
Vor allem wird es aber für Leute aus dem Umland immer unattraktiver, mit dem Auto nach Oldenburg zu fahren. Das Parkplatzangebot im Stadtzentrum ist bereits jetzt reichlich knapp und es fallen Parkgebühren an. In Oldenburg wird gründlich kontrolliert, ob man die Parkgebühren bezahlt hat. Nach zwei Mahngebühren überlegt man sich, ob man noch nach Oldenburg fahren will. Dabei gibt es kaum Alternativen zum Auto für Einpendler in die Stadt. Von Vechta aus gibt es zum Beispiel keine Bahnverbindung nach Oldenburg. Auch mit dem Bus gibt es kaum attraktive Angebote, schnell in die Stadt zu fahren.
Die Leute, die unbedingt nach Oldenburg fahren müssen, werden dies auch weiter mit dem Auto tun. Die Verkehrsbelastung und der Verkehrslärm an den Hauptstraßen wird trotz Tempo 30 kaum abnehmen. Wirtschaftlich und kulturell hängt sich das Oberzentrum aber dann von seinem Umland ab.
Beitragsbild: Die Oldenburger lieben es ruhig und grün, wie in dem im Stadtzentrum liegenden Schlossgarten.
Nachtrag: Ich erhalte gerade die Information, dass der Vorschlag entschärft worden sei. Das Tempo 30 soll nur noch zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens und nur auf einem Teil der Hauptverkehrsstraßen gelten. Allerdings wird die Lärmbelastung kaum sinken, da der Hauptverkehr in Oldenburg ja tagsüber ist, besonders während des morgendlichen und abendlichen Berufs- und Pendelverkehrs. Der Verkehr wird aber auch trotz Tempo 30 auch nachts kaum ruhiger werden.
Diese provokante Frage stelle ich als Titel vor diesen Artikel. Seit einiger Zeit hört man, dass das Deutschlandticket „teurer“ werden soll. Ursprünglich wurde es eingeführt, um mehr Menschen dazu zu bewegen, vom Auto in Bahn und Bus umzusteigen. Mehr als zehn Millionen Menschen nutzen derzeit das Deutschlandticket, darunter auch ich. Zuerst wurde es als 9-Euro-Ticket den Leuten schmackhaft gemacht, nach einer Einführungsphase der Preis auf 49 Euro angehoben. Jetzt wird die verkehrspolitische Wende rückwärts gemacht.
Das Deutschlandticket sei mit dem Preis von 49 Euro nicht mehr rentabel zu betreiben, der Preis müsse deutlich angehoben werden, heißt es. Es wurden schon Forderungen von 69 Euro für den Preis des Deutschlandtickets erhoben. Damit würde der Preis für das Deutschlandticket für viele so unattraktiv, dass der ÖPNV sicher wieder zahlreiche Kunden verlieren würde.
Das man mit Fahrtickets öffentliche Verkehrsangebote wirtschaftlich betreiben könne ist ebenso ein Märchen wie das Autobahnen und Straßen dem Bürger „kostenlos“ zur Verfügung gestellt werden können. In beiden Fällen zahlt der Staat und somit jeder Steuerzahler kräftig drauf. Die Kosten der Deutschen Bahn sowie aller kommunaler und regionaler Verkehrsunternehmen, ganz gleich, ob sie in öffentlicher oder privater Hand sind, werden zu zwei Drittel aus öffentlichen Mitteln finanziert.
Die Entscheidung über den Preis des Deutschlandtickets ist somit weniger wirtschaftlicher als politischer Natur. Wenn der Staat nicht bereit ist, mehr Mittel in öffentliche Verkehrsangebote zu investieren, erhöht man die Ticketpreise und stoppt den dringend notwendigen Ausbau öffentlicher Verkehrsangebote.
Mit dem Rechtsruck in Politik und Gesellschaft könnte es durchaus dazu kommen, dass man die Verkehrswende als Symbol grüner Politik stoppt und auf das Verbrennerauto und noch mehr Straßen setzt. Sowohl klimapolitisch als auch wirtschaftspolitisch wäre dies fatal. Denn auch das marode Straßensystem reicht für den wachsenden Verkehrsbedarf nicht aus. Wir werden nicht umhinkommen, mehr Verkehr in öffentliche Verkehrsmittel zu lenken. Es gibt keine Alternative zur Verkehrswende!
Titelbild: Blick aus einem dreckigen Zugfenster auf den Bahnsteig im Bahnhof Leer, Ostfriesland. Das Bild habe ich während einer meiner vielen Zugfahrten gemacht, die ich ohne das D-Ticket sicher nicht unternommen hätte.
Nachtrag: Wie ich gerade über das Radio erfahre, wird der Preis des Deutschlandtickets auf 58 Euro angehoben. Ich bin gespannt, wie sich das auf die Nachfrage des Angebotes auswirkt.
Früher war ich ziemlich skeptisch über den Sinn und Zweck das Deutschlandtickets. Mit dem Deutschlandticket kann man bundesweit jedes Verkehrmittel im Nahverkehr nutzen. Seit einem Monat habe ich eins und meine Meinung hat sich komplett geändert.
Obwohl es bei uns auf dem Land nur einen schlecht ausgebauten ÖPNV gibt, bin ich mit dem Deutschlandticket viel mobiler und zu einem mehr oder weniger begeisterten Bahnfahrer geworden. Da die Bahnfahrt ja bereits „bezahlt“ ist, neige ich schon eher mal dazu, mich auf eine Bahnfahrt zu begeben. Man fährt man mit dem Auto zum nächsten Bahnhof, stellt das Auto auf dem Park & Ride Parkplatz ab, fährt mit der Bahn in die Stadt und kann dort bummeln. Mit dem Deutschlandticket kann man in jeden Bus und jede U-Bahn einsteigen und sich in der Stadt frei bewegen. Ums Auto braucht man sich nicht zu kümmern. Die Parkplatzsuche, Parkgebühren und der Stress beim Autofahren im Stadtverkehr entfällt. Na dem Besuch der Stadt geht es mit der Bahn entspannt zurück und mit dem Auto fährt man die „letzte Meile“ nach Hause.
Mit der Bahn habe ich schon jetzt Fahrten gemacht, die ich mit dem Auto vielleicht nicht gemacht hätte. Mit dem Zug bietet sich das geradezu an. Ich war in diesem Monat schon in Hamburg, Dortmund und Bremerhaven.
Auch nach und innerhalb von Berlin konnte ich das Deutschlandticket gut gebrauchen. Nach Osnabrück fahre ich von meiner Kreisstadt gerne nach Osnabrück. Der Bahnhof Altstadt ist ganz nahe bei der Altstadt.
Bild: In Dortmund vor dem Dortmunder U
Auf weiteren Strecken braucht man nur Fahrkarten für die Schnellzüge (IC, ICE) zu buchen. Also letztendlich die Fahrkahrte vom nächsten, größeren Fernbahnhof und zurück. Für Nahverkehrszüge ist der Fahrtpreis bereits im Deutschlandticket enthalten. Oft dauert die Fahrt mit den Regionalbahnen oft nicht viel länger als den „Schnellzügen“, weil auch die Fernreisezüge recht unzuverlässig und mit Verspätungen fahren.
Auf der anderen Seite landet man mit dem Regionalzug nicht selten auf dem Abstellgleis und muss warten, weil der Zug laut Ansage „überholt“ oder von einem anderen Zug „gekreuzt“ wird. Bei der Bahn gibt es klare Hierarchien. Der ICE hat immer Vorfahrt, der IC folgt und das letzte Glied ist die Nahverkehrsbahn. Da kann es sogar vorkommen, dass selbst ein IC mal „warten“ muss, weil ein anderer Zug Vorrang hat. Und da es auch bei den ICE zu Verspätungen kommt, bringt dies den ganzen Fahrplan bei der Bahn durcheinander. Man kann bei einer Reise nur darauf hoffen, dass die nachfolgenden Anschlusszüge sich auch entsprechend verspäten. Ich habe es auch schon erlebt, dass ich aufgrund einer Verspätung eines Anschlusszuges, den ich normalerweise nicht hätte erreichen können, schneller als geplant ans Ziel ankam.
Die Bahn ist herrlich unberechenbar. Man muss immer damit rechnen, dass etwas geschieht, womit man nicht gerechnet hat. Und jede Bahnfahrt ist auch ein kleines Abenteuer. Nicht selten wird der Bahnsteig des Anschlusszuges kurzfristig geändert, auf dem die Fahrt weiter geht. Wenn die Weiche nicht funktioniert oder der Motor, der Computer oder sonst etwas „ausfällt“, bleibt sowohl ein ICE aus auch ein Regionalzug stehen. Als Bahnfahrer braucht man Geduld und ausreichend Sitzfleisch. Aber das braucht ein Autofahrer im Stau auf der Autobahn ebenfalls. Während der Staat immens in die Autobahnen investiert, auf dem die Autos dennoch im Stau stehen, ist die Bahn das Stiefkind der autozentrierten Nation geblieben. Zum Leidwesen aller Bahnfans. Dennoch kommt man mit der Bahn unter Umständen genauso schnell ans Ziel wie mit dem Auto, und das relativ stressfrei.
Mobilität. Meine autofreie Zeit ist zu Ende. Meinen Nachbarn ist es längst wieder aufgefallen, dass mein Carport nicht mehr leer ist. Seit ein paar Tagen steht ein VW ID.3 drin, einen zwei Jahre alter Vorführwagen, den ich von einem Autohaus in der Region gekauft habe. Die Abwicklung war sehr unkompliziert. Ein Mitarbeiter brachte mir das Auto nach Bakum, ich entschloss mich zum Kauf, wenige Tage später konnte ich das Auto beim Straßenverkehrsamt anmelden und noch am gleichen Tag wurde mir das Fahrzeug ausgeliefert. Besser geht es nicht!
Mein altes Auto hatte ich im November nach einem Verkehrsunfall und Totalschaden verloren. Von einem Tag auf dem anderen musste ich mich daran gewöhnen, ohne Auto auszukommen. Alternativ konnte ich nur noch zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren, den Anrufbus Moobil+ und die NordWestBahn benutzen oder teuer mit dem Taxi fahren. Beispiel: Eine einfache Fahrt von Bakum nach Vechta (ca. 8 Kilometer) kostet mit dem Taxi 25 Euro, die gleiche Distanz von Bakum nach Lüsche kostet mit dem Taxi ebenfalls so viel. Erheblich günstiger geht es mit de Moobil+ Anrufbus (3 Euro). Der fährt aber nur werktags zwischen 7 und 19 Uhr. Außerhalb und besonders am Wochenende gibt es keinen ÖPNV. Dann bleibt einem nur noch als wichtigstes Verkehrsmittel das Fahrrad.
Ich bin noch nie so viel mit dem Rad in die Stadt gependelt wie in diesen drei „autofreien“ Monaten. Selbst gegen schlechtes Wetter hilft eine Regenhose und ein Regenüberzug über dem Fahrradhelm, den man dann gerne benutzt. Warme Fahrradhandschuhe und natürlich eine regen- und winddichte Jacke sind im Winter ein Muss! Allerdings, bei unter fünf Grad Celsius Temperatur und steifem Westwind macht die Radtour über den Esch auch mit dieser Ausrüstung kein Vergnügen, selbst wenn dies Fanatiker der Fahrradszene immer wieder behaupten. Mit dem Rad im Winter zur Arbeit ist nur etwas für hartgesottene Zeitgenossen. Ich bleibe dann lieber zuhause oder nehme mir dann Notfalls sogar das Taxi, wenn es nicht anders geht.
Wenn man kein Auto hat, muss man mit dieser Situation schon kreativ umgehen, wenn man nicht „nur“ zuhause bleiben möchte. Ich bin in der Weihnachtszeit mit dem Rad zum Vechtaer Bahnhof gefahren und von dort aus eine Fahrt zum Osnabrücker Weihnachtsmarkt zu unternehmen. Auch fuhr ich von Bakum aus mit Moobil+, NordWestBahn und Deutsche Bahn nach Berlin. Auf der Rücktour musste ich statt Bus ein Taxi nehmen, es war Sonntag. So lange man Richtung Osnabrück oder Bremen fahren will, kann man von Vechta aus mit der NordWestBahn fahren, es sei denn, sie fällt wieder mal aus. Meist heißt es bei einem Ausfall, dass es keinen Schienenersatzverkehr gibt und man hat dann ein Problem. Kompliziert wird es, wenn man von Bakum aus nach Diepholz fahren möchte. Dann bleibt einem nur die Möglichkeit, für die Hin- und Rückfahrt 100 Euro fürs Taxi auszugeben.
Unvergesslich bleibt für mich die Fahrt von Bakum nach Oldenburg, um dort einen notwendigen Arzttermin zu erledigen. Los ging’s morgens um 8 Uhr vom Bakumer Rathaus mit dem Moobil+ Bus, der für die 18 Kilometer eine Stunde Zeit brauchte. Von dort aus ging es mit der NordWestBahn in wenigen Minuten in die Huntemetropole. Die NordWestBahn fährt wesentlich schneller als auf der Linie Osnabrück – Vechta – Bremen, wo sie nur mit Tempo 70 bis 80 durch die unbeschrankte Landschaft dümpelt. Die Rückfahrt nach meinem Arzttermin von Oldenburg aus war allerdings sehr aufregend. Mit der NordWestBahn ging die Fahrt zunächst wie gewohnt schnell bis nach Cloppenburg. Auf der Moobil+ Rückfahrt von Cloppenburg nach Bakum brauchte die Fahrerin trotz mehreren Stopps nur die halbe Zeit wie am Morgen, obwohl sie diesmal den Umweg über Elsten fuhr. Nach der Fahrt gratulierte ich der Fahrerin für ihre Leistung, sie war sicher aber äußerst rasant gefahren.
Ohne Auto muss man viel Zeit einplanen, wenn man irgendwohin möchte. Der Anrufbus fährt nur stündlich zwischen Vechta, Bakum und Cloppenburg und muss mindestens eine Stunde vor Fahrbeginn gebucht werden. In der Regel geht es mit dem Fahrrad nach Vechta schneller und flexibler, wenn es das Wetter zulässt. Auch für die Fahrt weiter weg muss man immer die Abfahrtzeiten und die Fahrtzeit bis zum Bahnhof einplanen. Am Wochenende ist man bei schlechten Witterungsverhältnissen ohne Auto ziemlich aufgeschmissen. Dann bleibt einem nur das Taxi.
Ganz bewusst habe ich eine weitere Möglichkeit ausgelassen: Die Unterstützung durch Freunde oder Familienmitglieder. Viele Menschen ohne eigenes Auto werden auf dem Land von Angehörigen und Freunden mit dem Auto mitgenommen oder sogar auf Wunsch gefahren. Auch diese Möglichkeit habe ich ein paar Male genutzt. Aber letztendlich ist dies keine Alternative zu einer selbstbestimmten Mobilität. Auf Dauer ist mobile Unabhängigkeit derzeit auf dem Land nur mit einem eigenen Auto möglich. Bestimmte Reiseziele lassen sich ohne Auto gar nicht erreichen. Schon eine Hin- und Rückfahrt von Bakum in den Nachbarort Dinklage (13 km) oder nach Langförden (8 km) wird mit ÖPNV zu einer Tagesreise.
Damit sich dies ändert, muss das öffentliche Verkehrsangebot dringend verbessert werden. Gerade angesichts der demografischen Entwicklung im ländlichen Raum wird der Ausbau eines flächendeckenden Angebots über 24 Stunden an sieben Tagen die Woche. Das wird natürlich nicht mit einem veralteten relativ starren Linienbus-Angebot möglich sein sondern nur mit modernen digitalen On-Demand Angeboten, die sich an der Nachfrage orientieren.